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Sophie Scholl – die Seele des NS-Widerstandes, Weltveränderin, die deutsche Jeanne d’Arc, das sind nur einige Beinamen, die die Studentin, die vor über 70 Jahren unter der Diktatur der Nationalsozialisten hingerichtet wurde, posthum erhalten hat. So betitelte der letzte Überlebende der Widerstandsgruppe der „Weißen Rose“ sie als „die Mutigste von allen“. 

Vielleicht fehlt unserer Generation heutzutage ein solches Vorbild. Eines, das uns nicht vergessen lässt und vor antidemokratischen Tendenzen warnt – zumindest sieht es so die Autorin, Theatermacherin und Schauspielerin Lore Seichter-Muráth. 
Aus diesem Grund hat sie eine szenische Collage über die Widerstandskämpferin verfasst und am 11. März 2019 im Theaterraum des Leininger-Gymnasiums der MSS 12 vorgetragen. Initiiert wurde das Ganze von der Gleichstellungsbeauftragten der Stadt Grünstadt, Andrea Breßler. Die Veranstaltung wurde von Schulleiterin Cornelia Diehl eröffnet, die den Anlass der Lesung hervorhob: Viele Schüler der MSS 12 werden dieses Jahr zum ersten Mal als Wähler bei der Europawahl ihre Stimme abgegeben können. Mit diesem Hintergrund solle den Schülern das Schicksal einer Person dargestellt werden, die sich gegen ein rechtsradikales System gestellt hat. Dadurch, darin waren sich auch Breßler und Seichter-Muráth einig, solle den Schülern ihre eigene Bedeutung in einer Gesellschaft, in der ein Ruck nach rechts wieder spürbar sei, deutlich werden: Das Schützen demokratischer Maßstäbe und das Verhindern einer zweiten rechtsorientierten Regierung.  

In zwei Schulstunden erhielten die Schüler der Oberstufe die Gelegenheit, mehr über den „Mythos“ Sophie Scholl zu erfahren. Die Lesung bestand dabei aus einem Monolog-Text: Einer Mischung aus Tagebucheinträgen, Briefen an Scholls Verlobten, Liedern und gegensätzlich dazu Berichte aus dem sogenannten Volksempfänger (einem Radioapparat aus der NS-Zeit, der vor allem zu Propagandazwecken genutzt wurde). 

Besonderen Fokus legte die Schauspielerin hier vor allem auf die Tatsache, dass Scholl als junges Mädchen ebenfalls Mitglied der Hitler-Jugend, kurz HJ, bzw. dem weiblichen Pendant, dem Bund Deutscher Mädel, kurz BDM, (zwei nationalsozialistische, militärisch organisierte Jugendbewegungen) gewesen war. Sie hatte es jedoch geschafft, sich dank ihrer Geschwister und dem eigenen Willen aus deren Fängen zu befreien. Obwohl eine Entsagung gleichbedeutend war mit gesellschaftlichen und beruflichen Einschnitten. 

Der Monolog selbst zeichnete sich durch eine ausgeprägte Vielfalt der Sprache aus: Wenn Seichter-Muráth als Sophie Scholl in ihren Liedern ihre Einsamkeit besang, wirkte ihre Stimme fast zerbrechlich und zart. Im scharfen Kontrast dazu standen die Durchsagen des Volksempfängers, die schroff, gebieterisch und kalt klangen. 

Nach der Lesung konnten die Schüler der Autorin noch Fragen über das Stück und Sophie Scholl stellen. Auf die Frage, wie Seichter-Muráth auf die Widerstandskämpferin als Titelfigur ihres Stücks gekommen sei, antwortete sie, es wäre ihr ein Bedürfnis gewesen. Ein Bedürfnis, da sie in ihrer Heimatstadt das Erstarken von rechtsradikalen Parolen erlebt hat und hofft, mit ihrer Lesung dem entgegenwirken zu können. Vor allem, da Scholl es geschafft hatte, aus den Ketten der Hitlerjugend zu entfliehen. 
Gleichzeitig erzählte sie jedoch auch von regelmäßigen Störungen und Einschüchterungen durch Motorenlärm o.ä. bei vorangegangen Aufführungen. Dennoch habe sie vor allem in rechtsradikalen „Hochburgen“ Zuspruch von ihren Zuhörern erhalten, die sich durch sie bestärkt fühlten. 

Am Ende der Veranstaltung kam es zu einer gewissen Verunsicherung, nachdem die Gleichstellungsbeauftragte eine Parallele zwischen Rechtsradikalismus und Antifeminismus zog und dies auf das Stück rund um die Widerstandsgruppe die „Weiße Rose“ bezog. So fasst der Schüler Simon Meister (MSS 12) zusammen: „Der Zusammenhang zwischen Sophie Scholl und der Gleichstellung der Frau war mir nicht klar. Die „Weiße Rose“ hat das NS-Regime abgelehnt und sich gegen die Sanktionen und den Krieg ausgesprochen, ist aber nicht für die Gleichberechtigung aus unserer heutigen Sicht eingestanden. Die politische Werbung der Gleichstellungsbeauftragten war nicht notwendig und hat meiner Meinung nach das Thema verfehlt. Der Vortrag an sich war weniger auf die weiße Rose fokussiert, sondern auf die individuelle Wahrnehmung von Sophie Scholl.“ Und auch Benjamin Theobald (ebenfalls MSS 12) stimmt ihm zu: „Mir kam es so vor, als hätte sie das Thema, welches die Schauspielerin uns rüberbringen wollte, und zwar Antisemitismus bzw. Nationalismus, nicht wirklich interessiert bzw. ich hatte den Eindruck, als wolle sie das Gespräch Richtung Antifeminismus lenken. Dazu hätte sie gerne etwas sagen können, nur bitte in einer eigenen Veranstaltung anstatt der Schauspielerin in der Diskussionsrunde ins Wort zu fallen.“ Weiter erzählt er, dass ihn einige Aspekte bzw. Zitate sehr interessiert haben, es aber manchmal schwierig war, die Übergänge zwischen Rückblicken auf Scholls Kindheit und den gegenwärtigen Gedanken der Widerstandskämpferin rechtzeitig zu erkennen. 

Dennoch hat die Veranstaltung ihr Ziel erreicht: Noch in den Schulstunden nach der Aufführung blieb sie Gesprächsthema Nummer eins und hat zum Nachdenken angeregt.

Kira Marie Niederberger (MSS 12)

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