Eine Kandidatur aus Notwehr – Zwei Schüler des Leininger-Gymnasiums wollen in den Landtag

Die Klimaliste Rheinland-Pfalz tritt bei den Landtagswahlen am 14. März 2021 im Wahlkreis 42, „Bad Dürkheim“, an. Als Direktkandidat stellt sich Felix Eichner zur Wahl. Im Wahlkampf unterstützt ihn seine Ersatzkandidatin Katharina Hollingshausen. Beide besuchen derzeit die zwölfte Klasse des Leininger-Gymnasiums. Wir hatten die Gelegenheit, ein Interview mit den beiden zu führen. Der aktuellen Situation geschuldet, fand dieses per E-Mail statt.
Was hat euch dazu bewogen, für den Landtag zu kandidieren?
Katharina: Ich bin seit 2019 in der Klimabewegung. In dieser Zeit konnte ich beobachten, wie viel geredet wird, aber nichts passiert. Jahre nachdem sich in Paris fast alle Länder zu mehr Klimaschutz verpflichtet haben, gibt es immer noch keine ernsthafte Klimapolitik. Viele Politiker:innen haben schlichtweg immer noch keine Ahnung, was passieren wird, wenn wir jetzt nicht mehr tun.
Wir brauchen Wissenschaftler:innen im Landtag und wir brauchen Menschen, die nicht nach Gründen suchen, warum bestimmte Maßnahmen nicht gehen, sondern versuchen das umzusetzen, was notwendig ist.
Was mich an der Klimaliste davon abgesehen überzeugt hat, ist, dass über Utopien nachgedacht wird. Statt über die Horrorszenarien zu reden, die eintreffen, wenn wir diese Erde weiter so zerstören, über eine Welt nachzudenken, in der Mitmenschen und Natur respektvoll behandelt werden und sich zu fragen, wie wir dahinkommen, ist unglaublich mutmachend.
Felix: In den Medien ist die Klimakrise für mich schon immer präsent. Die Meldungen ändern sich aber irgendwie nicht. Da sollte doch eigentlich mal etwas dagegen getan werden. Doch obwohl Wissenschaftler:innen und Expert:innen, also Personen, die super viel über das Klima und dessen Wandel wissen, eigentlich schon genau erklären können, was und wie wir etwas tun können, um die Klimakrise zu stoppen, machen viele der Politiker:innen nicht sehr viel.
Das finde ich extrem frustrierend und daher spreche ich gerne von einer Kandidatur aus Notwehr. Wenn sonst niemand unsere Interessen und die Interessen der folgenden Generationen ernsthaft vertritt, dann ist die Schlussfolgerung: Einfach etwas Eigenes machen.
Ihr kandidiert bekanntlich beide gemeinsam für den rheinland-pfälzischen Landtag. Wie muss man sich diese sogenannte „Co-Kandidatur“ vorstellen?
Felix: Am Ende kann nur einer von uns beiden ins Parlament einziehen. Diese Person werde dann ich als Direktkandidat sein. Trotzdem lösen sich alle Aufgaben im Team viel besser. Daher treten wir gemeinsam an, wir ergänzen uns und halten uns gegenseitig den Rücken frei.
Katharina: Felix ist Direktkandidat und ich bin Ersatzkandidatin. Zu zweit geht vieles einfacher und wir können uns aufteilen. „Co-Kandidatur“ trifft das vom Wort her besser als Ersatzkandidatur.
Seit wann seid ihr Mitglied der Klimaliste Rheinland-Pfalz?
Felix: Ich bin etwa zu meinem 18. Geburtstag im November in die Klimaliste eingetreten. Wenn man für eine Liste kandidieren möchte, muss man natürlich auch Mitglied sein. Aber auch schon vor dem Eintritt habe ich mich bei der Klimaliste ein bisschen engagiert.
Katharina: Ich bin im Dezember 2020 zur Klimaliste gekommen, als wir die Direktkandidat:innen gewählt haben. Aufmerksam geworden sind wir beide im Herbst 2020 als die Landesliste Unterstützungsunterschriften suchte, um zur Wahl zugelassen zu werden.
Inwieweit engagiert ihr euch auch außerhalb der Mitgliedschaft für den Klimaschutz?
Wir sind beide seit Januar 2019 bei „Fridays for Future“ aktiv.
Die Umwelt-AG, die es seit letztem Schuljahr an unserer Schule gibt, haben wir mitgegründet, um das Thema auch an die Schule zu bringen.
Katharina: Ich versuche mich ständig über das Thema „Klima“ weiter zu informieren und war deshalb schon auf einigen Vorträgen (z.T. von Scientists for Future organisiert) und auf einer Klima-Akademie.
Felix: Ich bin noch bei der Naturfreundejugend und im deutschen Alpenverein aktiv. Dort kümmere ich mich auf der einen Seite darum, Jugendgruppen zu leiten. Dabei versuche ich ihnen die Schönheit der Natur zu zeigen und natürlich mit ihnen auf einen schonenden Umgang mit der Natur zu achten. Auf der anderen Seite sind beide Vereine auch stark im Natur- und Umweltschutz aktiv.
Wie sieht euer Wahlkampf konkret aus und welche Aktionen könnt ihr infolge der Einschränkungen durch die Coronapandemie in eurem Wahlkampf nicht durchführen?
Der Wahlkampf sieht dieses Jahr wegen Corona natürlich ganz anders aus als üblicherweise. Er ist fast komplett digital.
Trotzdem hat der Wahlkampf für uns erstmal analog begonnen. Denn wir mussten Unterschriften von Menschen sammeln, die uns unterstützen, damit wir überhaupt zur Wahl zugelassen werden konnten. Damit waren wir fast den ganzen Dezember beschäftigt.
Nun sind wir wieder im Lockdown, das heißt wir sind fast vollkommen auf das Internet beschränkt. Daher laufen fast alle unsere Veranstaltungen digital ab. In den letzten Wochen hatten wir dann wieder ein bisschen Bewegung. Denn wir haben Wahlplakate vom Landesverband bekommen, die wir bei uns in der Region nun aufhängen.
Trotzdem gibt es regelmäßig digitale Veranstaltungen, bei denen es um den Klimaschutz hier im Wahlkreis geht.
Inwieweit ist der große Aufwand, der mit der Kandidatur für den Landtag einhergeht, mit der Schule zu vereinbaren? Planmäßig steht nächstes Jahr euer Abitur an. Da kommt bekanntlich eine große Menge an Lernaufwand auf euch zu. Wie wollt ihr die zusätzliche Arbeit, die als Landtagsabgeordneter anfällt, wenn ihr tatsächlich gewählt werdet, bewältigen?
Wie das mit dem Abitur und dem Landtag sein wird, sehen wir erst, wenn es soweit ist. Um in den Landtag zu kommen, brauchen wir eine Mehrheit der Stimmen im Wahlkreis. Wenn wir dies schaffen würden, wäre das natürlich optimal. Realistisch gesehen ist aber allein schon unsere Zulassung zur Wahl und die Kandidatur für den Landtag schon ein großer Erfolg für uns. Jetzt geht es uns darum, so viel Aufmerksamkeit für Klimathemen zu bekommen, wie möglich.
Derzeit ist der Aufwand mit der Kandidatur auf jeden Fall halbwegs mit der Schule vereinbar. Natürlich braucht es sehr viel Zeit, Veranstaltungen zu planen und Wahlplakate aufzuhängen, aber wir sind da ein Team und helfen uns gegenseitig, wann immer es irgendwo Probleme gibt.
Welche Themen, abgesehen vom Klimaschutz, finden sich in eurem Wahlprogramm?
Das Kernthema der Klimaliste ist Klimagerechtigkeit, Klimagerechtigkeit umfasst nicht nur Klimaschutz. Wir schützen das Klima nicht (nur) um des Klimas selbst wegen, sondern weil Klimaschutz Menschenschutz ist. Eine soziale, faire, und menschennahe Politik ist ohne Klimaschutz schlichtweg nicht möglich, denn Menschen leiden unter dem Klimawandel. Gleichzeitig können wir keine klimagerechte Welt fordern und gleichzeitig soziale Themen vernachlässigen. Deswegen sind selbstverständlich soziale Gerechtigkeit, Wirtschaft und Digitalisierung wichtige Themen für die Klimaliste.
Ein weiteres wichtiges Thema ist Transparenz. Es muss öffentlich bekannt sein, wer Politikern wie viel Geld spendet und mit welchen Lobbyisten sich Politiker treffen.
Bildungsthemen sind auch in unserem Forderungskatalog. Gerade das ist für uns, da die Klimaliste zu einem Teil aus Wissenschaftler:innen besteht, sehr wichtig. So fordern wir zum Beispiel die Einführung des neuen Faches BNE (=Bildung für nachhaltige Entwicklung) und den konsequenten Kampf gegen Diskriminierung aller Art.
Was sind, abgesehen von eurem politischen Engagement, weitere Hobbys, denen ihr nachgeht?
Katharina: Ich war schon immer sehr musikalisch unterwegs. Ich spiele drei Instrumente und war in einigen Ensembles. Vieles davon geht im Moment leider nicht.
Gerade backe ich sehr viel, ich habe ganz klischeehaft im Lockdown mit Brotbacken angefangen.
Felix: Ich liebe es, draußen zu sein. Dort findet man mich die meiste Zeit in den Ferien. Wenn Outdoor-Aktivitäten mal nicht möglich sind, klettere ich in der Kletterhalle oder gebe dort Kurse.
Könnt ihr euch vorstellen, in der Zukunft hauptberuflich in der Politik tätig zu sein oder habt ihr andere Berufswünsche?
Katharina: Ich würde nicht sagen, dass ich es mir auf keinen Fall vorstellen kann. Es ist aber nicht mein Ziel.
Politiker:in zu werden, nur um Politik zu machen, ist, meiner Meinung nach, kein guter Grund. Wenn, dann weil ich mich für Themen (wie z.B. Klimagerechtigkeit) einsetzen will.
Ich möchte auf jeden Fall etwas Naturwissenschaftliches machen, könnte mir auch vorstellen, einen Beruf zu ergreifen, der etwas mit Klimaforschung, Klimaschutz oder Klimaanpassung zu tun hat.
Felix: Ich kann mir vorstellen, dass die Aufgaben eines Berufspolitikers sehr spannend sind. Aber ich stimme Katharina zu. In der Politik braucht es Menschen, die eine Vision haben und diese verwirklichen, aber danach auch abtreten und anderen das Ruder überlassen. Diese können dann wiederum ihre Ideen und Anliegen umsetzen. Die gleichen Personen für lange Zeit an der Macht bedeuten Stillstand.
Einen Berufswunsch habe ich noch nicht. Ich habe eine eher technische Tendenz, möchte aber erstmal die Welt ein bisschen sehen, um mich danach für eine meiner Möglichkeiten zu entscheiden.
Schlusswort:
Felix: Ich glaube, Politiker:innen fehlt es meistens an Visionen, also z.B. einem Traum, wie wir in einigen Jahren als Gesellschaft leben wollen. Ich habe da immer eine schöne, saubere und klimafreundliche Welt vor Augen, in der alle Menschen unabhängig von ihrer Herkunft friedlich zusammenleben können. Der Weg dorthin wird für einige nicht schön sein, aber am Ende wird es sich für alle lohnen. Das Problem an sogenannten Berufspolitiker:innen ist, dass sie viel zu starr auf die nächste Wahl schauen und daher nur kurzfristig alle zufriedenstellen wollen.
Für uns besteht die Problematik darin, dass sie dann die Probleme auf irgendwann anders verschieben (so wie bei mir mit meinen Arbeitsaufträgen), obwohl sie ganz genau wissen, dass das irgendwann stressig wird (so wie bei mir mit meinen Arbeitsaufträgen). Das einfache Beispiel zeigt, Probleme direkt angehen und dafür später chillen ist besser.
Genau das müssen wir auch mit dem Klimawandel machen. Jetzt handeln!
Das Interview führte Dominik Neu (MSS 11)
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