Hast du auch schon mal den (Tag-)traum gehabt, einfach mal dem Alltag zu entfliehen, ein neues Land, eine neue Kultur für dich zu entdecken? Mareike, Schülerin der 10. Klasse, hatte diesen wohl und verwirklichte ihn. Jeden Tag hat sie, wie wir, Schule, aber sie geht im zweisprachigen Teil Kanadas dorthin und wir hier. Wie es ihr dort geht, ob das Schulsystem sehr anders ist als hier, erfahrt ihr hier im Interview.
Wie war deine Anreise so?
Sehr anstrengend. Als erstes hatte der Flug nach Toronto eineinhalb Stunden Verspätung. Nach acht Stunden Flug kamen wir, also ich und die restlichen Austauschschüler, endlich dort an. Dann mussten wir noch in die Einwanderungsbehörde, damit ich meine ‚Study Permit‘ bekam, was sehr (!) lange gedauert hat. Ich war total müde, weil es ja mitten in der Nacht war. Eine weitere Hürde war dann, dass ich meinen Koffer unter den vielen anderen finden musste, anschließend ging es dann zum Zoll. Dort mussten wir das Gepäck wieder abgeben und durch die Sicherheitskontrolle gehen. Hinzu kam dann, dass uns gesagt wurde, dass wir im schlimmsten Fall den heutigen Flug nicht bekommen würden. Jedenfalls bekamen wir dann gerade noch so den Flug, eine kleine, lilane Maschine, in der wir dann schlafen konnten, obwohl wir halb erfroren sind. Nach zweieinhalb Stunden kamen wir dann in Moncton an, wo sich uns ein großartiges Bild darbot: Alle Gastfamilien standen am Flughafen mit selbstgebastelten Willkommensschildern und freuten sich riesig, uns endlich in Empfang zu nehmen. Für meine Gastfamilie und mich hat die Reise dann noch nicht aufgehört, wir haben dann noch im Hotel übernachtet und sind am nächsten Morgen die drei Stunden nach Hause gefahren. Und dann war ich endlich, endgültig zuhause.
Was für eine lange Reise…apropos Gastfamilie: Wie wurdest du denn von ihnen aufgenommen?
Super toll! Sie waren von Anfang an super nett zu mir! Mit meiner Gastschwester verstehe ich mich am besten. Sie ist fast so etwas wie meine beste Freundin. Das ist echt toll und besonders, aber mit dem Rest ist es auch super. Sie sind super herzlich und tun alles dafür, dass es mir gut geht und ich glücklich bin. Da habe ich sehr viel Glück, das ist leider nicht immer so.
Und wie wurdest du in der Schule aufgenommen?
Man wird nicht wirklich als „Extrawurst“ behandelt, die Lehrer gehen ganz normal mit mir um, ich werde nicht besser, aber auch nicht schlechter als die anderen behandelt. Es gibt eine Koordinatorin an der Schule, die sich um die Austauschschüler kümmert. Das heißt, wenn man irgendwelche Probleme oder Sorgen mit der Familie und/oder mit der Schule hat, man zu ihr geht und sie dann einem hilft. Sie ist dann ungefähr 2 oder 3 Tage in der Schule. Aber ich finde es gut, dass es so ist, weil man ja sonst als Austauschschüler gar nicht in den Alltag der anderen reinkommt, sondern immer eine Sonderbehandlung hat. Natürlich versteht man sich am Anfang mit allen in der Schule gut, es interessieren sich ja auch alle für dich, fragen dich, woher du kommst, warum du hier bist, wie lange du hier bist usw. Nach ein paar Wochen stellt man dann fest, wen man dann doch nicht so mag und wer dich wirklich so mag, wie du bist und dann nicht hinter deinem Rücken über dich lästert, die Erfahrung musste ich leider machen. Aber mit denen, die man mag versteht man sich natürlich besser als am Anfang, weil man sich ja näher kennenlernt.
Wie ist das Schulsystem dort eigentlich so?
Dort gibt es keine Noten, sondern Prozente, wobei 60% da schon ein Weltuntergang sind. Ich habe immer so 85-98%, was ein Durchschnitt von ca. 89% ist. Für die ist das aber gerade noch so akzeptabel, jeder strebt einen Durchschnitt von mindestens 90% an. Es ist auch so, dass in Kanada an einem Tag der Stundenplan festgelegt wird, der dann jeden Tag, ein Semester lang, gleich ist. Zum zweiten Halbjahr wechselt der Stundenplan dann. Und es ist so, dass jeder Lehrer „seinen“ Raum hat, das heißt, nicht der Lehrer läuft zu den Schülern sondern andersherum.
Und wie kommst du vom Schulstoff her mit?
In manchen Fächern ist es relativ schwer, weil ich ja erst die ganzen englischen Fachbegriffe lernen muss. Biologie ist deswegen sehr schwer. In anderen Fächern ist es sehr leicht, weil sie nicht soweit sind wie hier in Deutschland. Beispielsweise in Mathe: Da bin ich im Elferkurs und die machen immer noch nicht den Stoff, den man in der 10. Klasse im LG macht.
Wie lange hast du gebraucht, um dich an das dauerhafte Englischsprechen und -hören zu gewöhnen?
Die ersten paar Wochen war es sehr anstrengend, ich war eigentlich immer müde, weil ich mich so konzentrieren musste. Aber ich habe mich relativ schnell daran gewöhnt. Bestimmt deswegen, weil man es ja eigentlich muss, um irgendwie Anschluss zu finden. Was mir auffällt, dass ich mich jetzt auch an schwierigere Satzkonstellationen wage, was ja auch gut ist. Es ist einfach ganz wichtig, sich wirklich zu trauen, Englisch zu reden, schwierigere Sätze zu bilden, usw.
Gibt es Unterschiede zwischen dem Kanadier und dem Deutschen?
Was auffällt ist, dass die Kanadier viel weniger Spaß verstehen, eigentlich gar keinen. Zudem sind sie extrem höflich. Eine Freundin von mir ist neulich in einen Kanadier gelaufen und es war wirklich ihre Schuld, ganz klar. In Deutschland hätte man sie bestimmt angeschnauzt, aber hier hat er sich sogar entschuldigt, obwohl er gar nichts dafür konnte.
Als allerletzte Frage: Was vermisst du am meisten?
Gute Süßigkeiten, definitiv! Die Gummibärchen hier sind schrecklich, ganz klebrig und das widerlichste: Sie schmecken nach Seife!
Dann wünschen wir dir noch ganz viel Spaß in Kanada, Mareike!
Das Interview führten Sarah Bejsiuk und Paulina Schick (10A)
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