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Nicht nur ungefähr 10000 km Entfernung liegen zwischen Grünstadt und Cuenca, Ecuador, der Wahlheimat von Frau Diep, sondern auch zahlreiche kulturelle, landschaftliche und politische Unterschiede. Die Geschichts- und Deutschlehrerin ist vor etwa 1 1/2 Jahren mit ihrer Familie von Ludwigshafen am Rhein nach Cuenca, Ecuador ausgewandert. Hier berichtet sie von ihrem Leben und den Erfahrungen, die sie als Einwanderer gemacht haben. 

Wieso haben Sie sich dazu entschlossen auszuwandern?

Mein Mann und ich haben es bereits  im Studium verpasst, Erfahrungen im Ausland zu sammeln und waren der Meinung, dass man das auch im Beruf noch nachholen kann. Hinzu kommt, dass wir beide leidenschaftliche Reisende sind und gerne die ganze Welt kennenlernen möchten. Und ein paar Jahre im Ausland zu verbringen, zeigt einem mehr von den Menschen und ihrer Kultur, als wenn man nur ein paar Wochen Urlaub macht.

Gab es für Sie Gründe, Deutschland und das LG zu verlassen?

Beruflich hat es mir am LG sehr gut gefallen, ich mochte alle meine Schüler sehr und mit dem Kollegium verstand ich mich auch gut. Ich bin jedoch der Meinung, dass man seinen Horizont immer erweitern sollte. Am LG habe ich eine lehrreiche Zeit verbracht, aber ich hatte für mich das Gefühl, dass mir die Welt noch mehr bieten kann.

Wie lange werden Sie in Ecuador bleiben?

Insgesamt bleiben wir drei Jahre, wenn wir uns nicht dazu entscheiden zu verlängern.

Mit wem sind Sie ausgewandert?

Zusammen mit meinem Mann und unseren beiden Kindern, die mittlerweile vier und sieben Jahre alt sind.

Wie waren die ersten Wochen in der neuen Umgebung? Und wie sieht es heute aus: Fühlen Sie sich wie zuhause?

Die ersten Wochen waren sehr spannend für meine Familie und mich. Immerhin haben wir zwei kleine Kinder dabei und wir wussten nicht, wie sie die Trennung von ihrem bekannten Umfeld und Freunde wie auch Familie verkraften würden. Erstaunlicherweise kam es nicht zu schlimmen Heimwehszenarien. Wir waren alle sehr interessiert, unsere neue Wahlheimat kennenzulernen, zumal wir auch die Sprache neu lernen mussten.

Aber womit ich persönlich am Anfang zu kämpfen hatte, war die Gewöhnung an die Höhe (3.500m). Insgesamt drei Monate habe ich gebraucht, bis ich nicht mehr total außer Atem vom Erdgeschoss ins 1. Obergeschoss ankam. Ebenso überkam mich eine ständige Müdigkeit, sodass es mir schwerfiel, mich auf die vielen neuen Eindrücke zu konzentrieren.

Aber zum Glück hatten wir ein paar Wochen, bis die Ferien zu Ende waren und wir auch hier mit unserer Arbeit beginnen mussten. So konnten wir unsere neue Heimatstadt erkunden und unsere Sprachfähigkeit ausprobieren.

Mittlerweile fühlen wir uns hier recht heimisch. Selbstverständlich ist es kein Vergleich mit Deutschland und wir möchten auf jeden Fall auch zurückkehren. Aber die anfängliche Angst vor dem Fremden und den Gefahren hat sich komplett gelegt. Wir haben hier unseren Alltag und auch neue Freunde gefunden. Dennoch sind und bleiben wir Ausländer, was wir in vielen Situationen zu spüren kriegen, sowohl in positiver wie auch negativer Weise.

Wo arbeiten Sie und welche Fächer unterrichten Sie? 

Mein Mann und ich arbeiten beide an der Deutschen Schule Stiehle in Cuenca und ich unterrichte Geschichte in deutscher Sprache sowie Deutsch als Fremdsprache (DaF) in den Klassen 11 und 12.

Wie kommen Sie zur Schule?

Meistens mit der „buseta“, den Schulbussen, wie man sie auch aus den USA kennt. Und manchmal mit dem eigenen Auto, wenn ich mal später Unterricht habe.

Wie gestaltet sich das „neue“ Schulleben und wie verbringen Sie ihre Freizeit?

Das Schulleben ist an der Deutschen Schule nicht anders als in Deutschland. Lehrer beschweren sich über zu faule Schüler und Schüler beschweren sich über zu viel Arbeit. Allerdings untersteht die Deutsche Schule trotzdem dem ecuadorianischen Bildungsministerium. Zwar hat unsere Schule mehr Freiheiten und Ausnahmegenehmigungen im Vergleich zu staatliche ecuadorianischen Schulen, aber dennoch gelten sehr strenge Regeln, die wir auch als Deutsche Schule nicht umgehen können.

Die Schüler sind alle sehr herzlich und es ist anfangs gewöhnungsbedürftig, dass besonders die Schüler der Sek I und der Grundschule all ihre Lehrer mit Vornamen ansprechen, selbst den Schulleiter. Auch von Eltern werden Lehrer mit Vornamen angesprochen. Aber meistens hört man auf dem Schulgelände „Frau“ und „Herr“, ohne Namensnennung, da sie es aus dem Spanischen von „señora“ oder „señor“ übernehmen.

Nach Schulschluss, an Wochenenden und in den Ferien versuchen wir, so viel wie möglich von dieser Gegend und diesem Land kennenzulernen. Oft fahren wir mit dem Auto los und suchen uns ein neues Ziel, ob es Bergseen sind, Wanderungen in den Anden oder Vulkanbesuche, landschaftlich bietet Ecuador sehr viel.

Haben Sie vor der Abreise schon spanisch gesprochen und sprechen Sie es mittlerweile?

Vor der Abreise hatte ich einen Basiswortschatz und ein Basiswissen über die Grammatik. Dank unserer Spanischassistentin, Lucia, die am LG war, beherrschte ich zumindest rudimentäre Kenntnisse der Sprache. Mittlerweile verstehe ich in den meisten Fällen alles, aber für tiefgehende Gespräche reichen meine Sprachkenntnisse leider noch nicht. Da wir an unserer Schule von Beginn an verpflichtet sind, auch Elterngespräche zu führen und am Elternsprechtag zur Verfügung zu stehen, musste ich mir die Sprache sehr schnell aneignen.

Was sind die größten Unterschiede zwischen Deutschland und Ecuador?

Die Freundlichkeit. Im Sommer haben wir unsere Ferien in Deutschland verbracht und das erste, was uns aufgefallen ist, ist die Distanziertheit und die aggressive Grundstimmung. In Ecuador grüßt man sich auf der Straße, ob man sich kennt oder nicht. Ähnlich wie in den USA wird man immer gefragt, wie es einem geht, auch wenn es eigentlich niemanden interessiert. In Deutschland reagieren die meisten sehr irritiert, wenn man wildfremden Menschen einen guten Tag wünscht. Auch wenn ich mit den ÖPNV unterwegs war, hatte ich das Gefühl, meinen Blick immer auf den Boden richten zu müssen, weil sich sonst jemand durch meine Anwesenheit gestört fühlt. Auf der anderen Seite vermisse ich aber die Pünktlichkeit und Disziplin, die in Deutschland ganz normal sind. Wenn man sich in Ecuador verabredet, kommt es vor, dass man eine Viertel Stunde nach vereinbarter Uhrzeit einen Anruf bekommt, in dem es heißt: „Estoy en camino.“ Wörtlich übersetzt heißt das: Ich bin auf dem Weg. Aber tatsächlich bedeutet dieser Satz: Ich bin noch zuhause, mache mich aber demnächst fertig.

Viele Dinge dauern hier länger und als Deutsche fragt man sich, das könnte man doch einfacher oder schneller erledigen. Aber vielleicht ist es genau das, was viele Leute als Entschleunigung für ihr Leben suchen. Ich weiß nicht, ob ich mich daran gewöhnen kann. Aber ich habe ja noch 1 ½ Jahre Zeit.

Gibt es etwas das Ihnen aus Deutschland fehlt? 

Wein und das gute Essen. Wir sind mit der Erwartung nach Südamerika gekommen, dass wir auch kulinarisch etwas dazulernen. Aber die einheimische Küche ist relativ einseitig, was wir nicht ganz nachvollziehen können, denn was die Gemüse- und Obstsorten angeht, bietet Ecuador eine riesige Vielfalt. Das bedeutet für uns: Selbst kochen. Da loben wir uns in Deutschland doch die Multikultur.

Was würden Sie am meisten aus Ecuador vermissen, wenn Sie wieder in Europa bzw. Deutschland leben würden?

Das Reisen auf der einen Seite: Noch nie sind wir in einer so kurzen Zeit bereits so viel verreist wie hier. Die Dimensionen dieses Kontinents können wir uns in unserem kleinen Europa gar nicht vorstellen. Und auf der anderen Seite würde ich unser relativ sorgenfreies Leben hier vermissen.

Nennen Sie 3 Dinge, die Sie beim Auswandern dazu gelernt haben:

Erstens: Sei nicht immer so ungeduldig.

Zweitens: Was nicht ist, kann noch werden. Und wenn es nicht wird, musst du es eben selbst machen.

Drittens: Deutschland ist ein tolles Land, in dem es sich zu leben lohnt.

Wie werden Sie dieses Jahr Weihnachten feiern?

Ich freue mich dieses Jahr schon sehr auf Weihnachten, obwohl ich überhaupt kein „Weihnachtsmensch“ bin. Es ist zwar das erste Mal, dass wir die Feiertage komplett ohne erweiterte Familie verbringen, aber dieses Jahr sind wir Heiligabend bei einer ecuadorianischen Kollegin eingeladen, mit ihrer Familie zu feiern. Und es ist uns eine große Ehre, miterleben zu dürfen, wie man ecuadorianisch Weihnachten feiert.

Am ersten Weihnachtstag machen wir uns dann auf den Weg nach Costa Rica und verbringen dort die Ferien, um uns vom Schulstress zu erholen. 

Zum Schluss noch einige Grüße: Ich wünsche allen Schülerinnen und Schülern sowie dem Kollegium des LGs frohe Festtage und einen guten Start ins neue Jahr. Ganz herzliche Grüße aus Ecuador!

Vielen Dank für dieses interessante Interview und liebe Grüße zurück aus dem beschaulichen Grünstadt nach Ecuador!

Das Interview führte Julia Zimmermann (MSS13).

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